EIN INTERVIEW MIT MIR VON MIR oder #DieGanzeWahrheit

 Ich muss ein Buch schreiben. Ich muss seriösen Journalismus betreiben. Ich muss bloggen. Einfach ist es nicht. Hier ein Interview der drei schillernden Persönlichkeiten.


WELT - Journalistin: Hm, ja, also, schön Sie kennen zu lernen, Frau von Rönne-

BLOGGERIN:
Ach, nennen Sie mich Ronja, Sie Knalltüte. Ich bin ein crazyjunges Bloggergirl, da muss man nicht so förmlich sein. (raucht Bong)

WELT - Journalistin (versucht relaxed zu gucken und zündet sich eine Zigarette an)
: Ja, toll, nennen Sie mich doch einfach auch Ronja, sonst wird das alles so kompliziert. (notiert panisch) Also, erstmal zu ihrem Schreiben. Ist das wirklich alles so passiert? -

BLOGGERIN
: Ich schreibe nicht, ich blogge. (grinst frech, tippt auf ihrem Smartphone herum) Außerdem ist das eine bescheuerte Frage. Und "ihrem" schreibt man groß.

WELT - Journalistin: Ähm ja, also wenn ich ehrlich bin, ich bin nicht so gut in Interviews.

BLOGGERIN: Ich auch nicht. Wer interviewt hier eigentlich wen? Also, erstmal zu Ihrem Schreiben-

WELT - Journalistin: Ich schreibe nicht, ich habe Angst.

BLOGGERIN: Angst? Wie darf ich das verstehen?

WELT - Journalistin:
(äfft nach): "Angst? Wie darf ich das verstehen?"

BLOGGERIN: Hä? Was soll das denn?

WELT - Journalistin: Es tut mir Leid. Der Druck in der Redaktion. Wenn dieses Interview nicht gut wird, muss ich was anderes schreiben, und dann wird das wieder ein Text darüber, was mir gefällt, und was ich nicht so toll finde, völlig ohne Begründung warum, und dann wird mir wieder vorgeworfen, ich schreibe nur selbstreferenziell. Und dann lese ich wieder Leserkommentare, und dann heule ich, und dann rauche ich zu viel, und wasche mich nicht mehr und -Ich will doch so gerne seriösen Journalismus machen. (weint)

BLOGGERIN: Aaach, mach dir keinen Stress, ich schreib nur über mich, die Leute lieben das! Gonzojournalismus! Hashtag Gonzo! (trinkt lässig aus ihrem Flachmann)

WELT - Journalistin
: Aber finden Sie das ganze nicht ein wenig - narzisstisch? Immer nur ich, ich, ich - das interessiert die Leser da draußen doch überhaupt nicht.

BLOGGERIN: Die Leser da draußen sind mir scheißegal! Mein Blog, mein Block! (twittert letzteres noch schnell und lacht irre)

WELT - Journalistin: ... Ich beneide Sie etwas. Bei uns sind Klickzahlen sehr wichtig.

BLOGGERIN:
Ja, Klickzahlen sind mir auch wichtig. Aber ich mach das nicht über Inhalte. Ich schreibe einfach immer "Sex" in die Überschriften. Inhalte habe ich längst überwunden.

WELT - Journalistin: Aber, wenn es dann gar nicht um Sex geht, fühlen die Leser sich doch betrogen.

BLOGGERIN: Ne, meine Leser tun dann so, als finden Sie das "witzig" und "ironisch" und "clever". Was machen Sie denn für Klickzahlen?

WELT - Journalistin: Naja, manchmal hoffe ich einfach. Oder ich hab einfach pure Angst. Angst kann ja ein toller Motor sein. Manchmal schreibe ich auch "Bitte teilt diesen Beitrag", wenn ich meine Texte auf Facebook poste. Aber die wenigsten reagieren noch darauf ... (knotet Hände) ... Die Menschen sind kalt geworden.

ANGEHENDE BUCHAUTORIN: Könnt ihr beiden mal die Fresse halten? Ich schreib hier an meinem ersten Buch (wedelt panisch ein leeres Blatt) - das ist Literatur!

  BLOGGERIN (hämisch): Das ist ein leeres Blatt, du Opfer, Hashtag Opfer.

WELT - Journalistin: In der Form kann ich das aber nicht rezensieren. Viel zu wenig Inhalt. Am Ende schreibe ich dann nur wieder über mich. Das Buch bietet ja bisher keinen Stoff.

ANGEHENDE BUCHAUTORIN: Weil ihr beide mich nervt mit euren Hashtags und euren Klickzahlen und seriösen Journalismus! Ich brauche einen freien Kopf! L'Art pour l'Art!

WELT - Journalistin: Sie haben ganz Recht! Le journalisme pour le journalisme!

BLOGGERIN: (twittert): Le #blog pour le #blog!

Alle drei umarmen sich, die WELT Journalistin schlägt die Bloggerin fest auf den Hinterkopf, die Bloggerin zerkratzt der Buchautorin das Gesicht. Die Buchautorin küsst die beiden zum Abschied. Verwirrt gehen sie zusammen auseinander, was nicht heißt, dass sie fett werden.



Bloggerknoten, Seriöses Hemd, grenzdebiler Autorenblick. Die drei Hübschen in einem Bild. (Nicht im Bild)

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