ALTE FREUNDE SIND DAS LETZTE

An Weihnachten trifft man alte Freunde wieder. Die meisten sind natürlich weder alt, noch Freunde, trotzdem umarmt man sich, ein bisschen länger als sonst, weil man so tut, als ob man es wirklich so meinen würde. Man lässt die Augen blitzen und strahlt: Gehts dir gut? Man erinnert sich mühsam an alte Insider, die nicht mehr zünden, aber man lacht trotzdem, denn sonst müsste man ja miteinander reden, und genau das will man nicht, sonst wären es ja keine alten, sondern echte Freunde.
Man hält sich gegenseitig auf dem Laufenden: Nein, ich rauch nicht mehr. Ja, ich wohne jetzt auch in Berlin. Nein, ich habe jetzt keinen Sex mehr mit Schimpansenbabys. Dann lacht man höflich und sagt: Oh, krass, wie hast du das denn geschafft mit dem Rauchen aufzuhören und schade, das Schimpansen-ficken hat dir doch früher so viel Spaß gemacht! Schon fühlt man sich wieder ein bisschen verbunden. Wie früher. Und kurz denkt man, dass früher vielleicht alles gar nicht so schlecht war, wie mein Psychiater behauptet.

Denn es gibt natürlich Gründe, warum diese Menschen alte und nicht aktuelle Freunde sind. Weil ich nicht mit Menschen befreundet sein will, die so eklige Dinge tun, wie mit Schimpansen zu schlafen oder change.org Links zu posten. Der wahre Grund, warum man so sehr strahlt, wenn man alte Freunde umarmt, liegt daran, dass man diese Fressen an den anderen 363 Tagen im Jahr nicht umarmen muss. Weihnachten ist die Zeit der Dankbarkeit. Ist Zeit der Aufarbeitung. Manchmal gibt es ja auch gute Neuigkeiten: Die Stufenschönste ist mittlerweile fett und der ehemalige Klassensprecher hat sich vor einen ICE 3 geworfen. Dann guckt man betroffen, sagt: Züge fand er früher schon immer toll und dreht sein Glas in den Händen, während man sich die zerfetzten Einzelteile dieses Arschlochs im Schnee glitzernd vorstellt. Blut auf Weiß. Schön. Weihnachtlich.
 Und weil ja Weihnachten ist, glaubt man auf einmal wieder ein bisschen an Gerechtigkeit. Und dann fängt es an, leise zu schneien.

Foto hat Luisa von mir gemacht. Danke, Luisa!



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