Die wichtigsten Sprachen der Welt


Bisher war Technik für mich nicht rätselhaft: Wenn Zeug funktioniert, ist es ein Wunder, wenn mein Router mal wieder feindselig blinkt – kein Wunder. Dass das eine ziemlich kurzsichtige Haltung ist, wurde mir erst klar, als ich davon las, dass das Model Karlie Kloss Stipendien für Coding-Seminare vergibt, auch wenn es bei ihr „Koding“ heißt, weil Alliterationen immer noch nicht aus der Welt der Werbung wegzukriegen sind.

Coding bedeutet schlicht Programmieren und ist offensichtlich ein neuer Trend, ähnlich wie davor die Thigh Gap oder die Ice Bucket Challenge. Karlie Kloss etwa findet, dass Frauen und Mädchen Programmiersprachen beherrschen sollten, um sich in dieser unserer modernen Welt zu behaupten.

Ich kann Karlie Kloss nicht unrecht geben, und außerdem kann ich keine Apps programmieren. Bis man 25 ist, mag es charmant sein, die ganze Welt als ein großes Wunder zu betrachten, danach schwächelt das Charmante, bekommt Falten und nennt sich irgendwann Ignoranz. Es gibt viele Netztrends, ich entscheide mich gegen die Ice Bucket Challenge und für das Erlernen von Programmiersprachen. Wenigstens die Grundzüge möchte ich begreifen.

Ich rufe einen befreundeten Informatiker an: „Erklär mir mal Programmiersprachen.“

„Dafür gibt’s Programme“, murmelt der Informatiker und legt auf. Gleich darauf schickt er mir einen Link. Programmierkurse, online. Also los.

1. Python

Python soll eine klare, leicht zu erlernende Sprache sein, oft für Desktop-Apps verwendet.

Im Tutorial lerne ich, mir selbst trostlose Fragen zu stellen, um sie mir gleich darauf selbst zu beantworten. Schwarze Buchstaben leuchten auf weißem Hintergrund. Ich tippe also ziemlich dämlich:

food = input(„Was ist dein Lieblingsessen?“)

Ein Fenster ploppt auf, und brav fragt mich das Programm nach meinem Lieblingsessen. Ich antworte dem höflichen Python: „Döner mit viel scharfem Zeug“. Das ist ein erster Schritt, um mich weiter gelangweilt mit mir selbst über Dinge unterhalten zu können, die ich längst weiß. Ich befehle dem Programm also, mir zu meinem Lieblingsessen zu gratulieren.

if food == „Döner mit viel scharfem Zeug“: print(„Mjam, lecker!“)

„Mjam, lecker!“, gratuliert mir das Programm brav. Die Welt ist sehr trostlos. Ich frage mich selbst noch nach meinem Sternzeichen und programmiere Python dazu, mich auch dazu zu beglückwünschen: „Steinbock, auf jeden Fall das beste Sternzeichen, Gratulation, Ronja, ich würde ja am liebsten nur von Steinböcken programmiert werden.“

Als Nächstes möchte das Python-Tutorial mich in die magische Welt der Mathematik entführen. 5 mal 2 macht 10, zischt es stolz, aber mir ist das egal, ich spreche kein Parsel. Der Informatiker sagt zu Python: „Was für Anfänger.“ Python sagt dazu: „Mjam, lecker!“

Dreaming of the Dönerlife


2. HTML

Hierbei handelt es sich, dem zusehends genervten Informatiker zufolge, um eine text- und grafikorientierte Programmiersprache. HTML-Dokumente sind die Grundlage des World Wide Web. Ich möchte auch meinen digitalen Fußabdruck in diesem World Wide Web hinterlassen und bastle in dem Tutorial eine E-Postkarte, auch wenn ich keine Ahnung habe, wer heutzutage noch E-Postkarten verschickt.

Die erste Aufgabe: Beschreiben Sie den Anlass Ihrer Grußkarte. Da ich wenige Freunde habe, die mir für den Erhalt einer E-Postkarte mit Tränen in den Augen danken würden, gratuliere ich mir selbst.

<h1>Alles Gute nachträglich zum Geburtstag, Ronja</h1>

Umlaute klappen zwar nicht auf Anhieb, trotzdem erscheint eine Sekunde später brav ein Glückwunsch an mich selbst. Es ist wirklich kein Wunder, dass Informatiker als introvertiert gelten, wenn sie ihre Tage damit verbringen, sich selbst nach ihrem Lieblingsessen zu fragen oder sich mit E-Postkarten verspätet zum Geburtstag gratulieren.

Der Informatiker erklärt: „Mit HTML bestimmt man, wo etwas erscheint, mit CSS kann ich die Erscheinung verändern.“ Gleich darauf gratuliert mir meine Postkarte in Neonpink.

Der Informatiker urteilt über HTML: „Zu MySpace-Zeiten Ausdruckssprache einer freidrehenden Jugend. Einfach, bunt, nützlich. Außerdem eigentlich keine Programmiersprache im engeren Sinne“ Ich füge noch ein Foto von einem Döner an, das sich auf Wunsch vergrößern soll. Und wirklich: Der Döner vergrößert sich. Die Ratlosigkeit auch.

3. Java Script

Mit Java Script wird es spannender: Im Tutorial programmiere ich sofort ein Spiel. Es geht um ein Hündchen, das seinen Knochen suchen muss, weil ich es mit meinem Code dazu zwinge. Das Hündchen rennt wie irre auf einem Koordinatenfeld umher, weil ich ihm dort Hindernisse in den Weg gebaut habe, Büsche, Steine, Mülleimer, so was.

Das Hündchen kriegt es voll nicht auf die Reihe. Mehr Steine. Mehr Büsche. Das Hündchen ist mir nicht gestresst genug, ich programmiere einen Timer. 15 Sekunden hat das Hündchen Zeit. Das Hündchen muss verhungern. Das ist Java Script, und hier bin ich Herrscher.

Ich revidiere: Informatiker sind nicht introvertiert, sie brauchen nur kein schlichtes Gemenschel mehr. Sie stehen darüber. In dieser mittelmäßigen Welt stolpern wir Unwissenden blind umher, der Informatiker baut sich derweil eine bessere. Eine halbe Stunde später gibt es noch ein Kätzchen, das mit dem Hund um einen Fisch kämpft. Ich sehe von oben auf sie herab. Meine minderen Kreaturen. Ich bin kein gnädiger Gott.

Der Informatiker schließt sich meinem Urteil an: „Java Script ist klüger als du, schöner als du, kann besser kochen als du. Sei mehr wie Java Script.“



4. C

„C ist ein Urgestein unter den Programmiersprachen und wurde bereits in den Siebzigerjahren entwickelt“, lehrt mich der weise Informatiker. Viele andere Sprachen, etwa Java Script, basierten darauf. C, so der Informatiker, sei schon cool, C++ sei aber zwei Plus cooler, C# gar das nächste große Ding.

5. Java

Für Java hat der Informatiker keine Sympathien. „Java ist etwas für Leute, die ihr Leben eingeteilt wissen wollen. Schubladenleute. Baum: grün, Meer: blau, dieses Interview: nervenzehrend.“ Er klingt wütend. Ich bin kurz versucht, mich im Namen dieser armen Sprache zu entschuldigen.

Das sind nur einige große Sprachen, von denen ich wenig weiß und die trotzdem alle anderen verzichtbar machen. Ich muss kein Spanisch können, um es zu verstehen, Programmiersprachen ermöglichen Übersetzer, die besser und besser werden.

Ein Tag reicht nicht, um über Postkartenprogrammierung hinauszukommen, aber es reicht, um eine leise Ahnung zu bekommen, wie viel Macht einem diese Sprachen verleihen. Sie können Arbeitskräfte ersetzen. Sie können helfen, ein medizinischer Computer, genaue Lokalisierung des Tumors, Bestrahlung, manchmal Rettung.

Sie können mit Drohnen Menschen Tausende Kilometer weiter weg ermorden, eine hell erleuchtete militärische Kommandozentrale, ein kurzes Zögern, ein schwebender Finger über einem Knopf. Momentan wird spekuliert, ob sie Wahlen entscheiden können. Hände tippen etwas auf einem Computer, reißen die vierte Wand ein, ein Theaterstück wird plötzlich Realität.

Das Wissen um solche Programmiersprachen ist eigentlich unverzichtbar. Von meinem jahrelangen Französischunterricht erinnere ich mich nur noch an einen Satz: „Arthur est un perroquet.“ Damit kann ich Franzosen deutlich machen, dass Arthur definitiv ein Papagei ist.

Ich wünschte, der Informatikunterricht hätte mehr Raum eingenommen, und nach einem Tag Herumprobieren bin ich beschämt darüber, dass Deutsch meine Sprache ist und nicht etwa Java Script. Die Zukunft wird geformt werden von denjenigen, die diese Sprachen beherrschen. Wir sollten alle programmieren können! Programmieren, das universal demokratische, freie Mittel, an dieser Welt mitzuzimmern!

„War’s das jetzt?“, quäkt es aus dem Telefon. Ich habe vergessen aufzulegen. „Findest du es eigentlich nicht schlimm, dass so wenige Menschen programmieren können?“, frage ich den Informatiker.

„Wenn die anderen Menschen mich in der Zeit dann nicht mit schwachsinnigen Fragen am Telefon fertigmachen, sollen sie es gerne alle lernen, mir egal, ob Programmieren oder Porzellanmalerei“, sagt der Informatiker, bevor er auflegt.

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